"Die Aufgabe einer Theorie sozialer Prozesse ist die Diagnose und Erklärung der langfristigen und ungeplanten, aber gleichwohl strukturierten und gerichteten Trends in der Entwicklung von Gesellschafts- und Persönlichkeitsstrukturen, die die Infrastruktur dessen bilden, was man gemeinhin "Geschichte" nennt. Die Rezeption eines solchen theoretischen Ansatzes wird durch das Selbstverständnis der zeitgenössischen Soziologie als einer primär gegenwartsbezogenen, auf die Erforschung kurzfristiger Veränderungen und Zusammenhänge innerhalb gegebener Gesellschaftssysteme gerichteten Disziplin behindert. Dieses Selbstverständnis ist eine Folge der akademischen Trennung von Geschichte und Soziologie, aber auch der wachsenden Praxisnähe der Soziologie, also ihrer Einbeziehung in bürokratisch kontrolliete Planungsprojekte. Dabei wird der langfristige, ungeplante Entwicklungsprozeß verkannt, der erst die Bedingungen für die Planungspraxis unserer Tage geschaffen hat und in den jede geplante soziale Entwicklung ständig verflochten bleibt. Komplementäre Prozesse wie Funktionsteilungs-, Integrations- und Zivilisationsprozesse sind Strähnen dieser komplexen langfristigen Entwicklung. Ihre Dynamik bedarf noch genauerer Untersuchung." (Autorenreferat)
Quelle: SOLIS (c) IZ Sozialwissenschaften, Bonn