Zur Entstehung der modernen
Naturwissenschaften
Disposition
Einleitung:
Anfangskonstellation der Neuzeit ist zugleich
Ausgangskonstellation des Mittelalters. Naturwissenschaft ist
nur ein Ausdruck einer neuen seelisch-geistigen Haltung der
abendländischen Menschen.
Um die Entstehung dieser neuen
Haltung nicht nur von aussen zu
beschreiben, sondern von innen her verständlich zu machen, ist
folgendes nötig:
1) V e r t i e f u n g i n d i e A r t ,
w i e d e r
n i c h t - a u f g e k l ä r t e ,
d
e r m i t t e l a l -
t e r l i c h e M e n s c h ,
d a s , w a s
w i r
"N a t u r " n e n n e n ,
e
r l e b t e .
2
) Vertiefung in die äusseren
u n d i n n e r e n
B e w
e g u n g e n , i n d e n e n
d i e s
e m i t t e l a l
t e r l i c h e A r t
u n d W e i s e , d i e
K ö r p e r w e l t z u
e r l e b e n , s i c h a l l m
ä h l i c h v e r w a n d e l t e .
3
) A u f h e b u n g
d e r S e l b s t v e r s t
ä n d -
l i c h k e i t , w e l c h e
f ü r u n s
d a s E r -
l e b n i s d e r
K ö r p e r w e l t a l s "N a
t u r"
b e s i t z t , u n d
H e r v o r h e b u n g d e
s s e n
w a s d a r a n
d a s N e u e ,
E i n m a l i g e , P
h y s i o g n o m i s c h B e d e u
t s a m e i s t .
1)
In welchem Sinne erlebte der mittelalterliche Mensch den
Kosmos des mit Sinnen wahrnehmbaren?
A.
Material
2
Beispiele. Beide aus der Welt der Priester und Gelehrten. Im
Mittelalter massgebener als heute für das Erlebnis a l l e r
Menschen.
a)
Dietrich v. Freiberg (Theodoricus Teutonicus) Anfang d 14
Jdths. Erklärung des Regenbogens. Wahrscheinliche Quellen
ausser Aristoteles: Al Farisi u.a. Araber. Charakteristisch:
Abschreiben falscher Zahlen aus den Quellen, und deren
unbekümmerte Benutzung. Schluss eigener Beobachtungen lagen
kaum vor. Beispiel für seine Methode: Frage nach den
Prinzipien, aus
denen bei dem Auffallen der Sonne auf Wolke
vier Farben entstehen. Antwort: 2 mehr formale und 2 mehr
materiale Principien, etwas Durchsichtiges v. grösserer u.
etwas Durchsichtiges v. geringerer Helligkeit, etwas fest
Begrenztes u. etwas weniger fest #### garnicht fest
Begrenztes. Wie (Aristoteles!) aus der Mischung v War###,
Kaltem Feuchtem, Trockenem Wasser, Feuer, Luft u. Erde
entstehen ## aus der Mischung jener 4 Prinzipien d, 4 Farben.
P r i n z i
p als U r s a c h e d e r
E n ts t e h u n g
d e r F a r b e n (wie ..) Nicht Beobachten, sondern aus
Büchern die N a m e n der substant###
formales zu erfahren,
aus denen etwas entsteht, ist Ziel der For#####. Geistigkeit
der substantiae. Die Art der Kommunikation mit Gott als eines
geistigen Wesens mit geistigen Wesen. Offenbarung, nicht
rationale Erkenntnis der Wahrheit. Bücher!
b)
Das Wort "natura" im Mund des heiligen Thomas.
Nicht mechanisch-gesetzmässiges Sein, dass aller Intelligenz
allem Geistigen als etwas anderes gegenübersteht, sondern grade
dies
2.
Im Mittelpunkt dessen, was das mittelalterliche "natura"
ausdrückt, steht nicht der Stein oder das Gestirn -, sondern
der Mensch und Gott.
Beleg:
Der thomistische Begriff der "lex naturalis"
Nicht abstrakte mathematisch ausdrückbare
Gesetzlichkeit
sondern 1) Das Streben nach dem
Guten, nach Vollkommenheit
gilt auch für die Steine!)
2) Alles wodurch sich der Mensch das Leben bewahrt.
(Essen, Verdauen, Vermischung der Geschlechter und E r z i e -
h u n g d e r K i n d e r)
3) Ebenso wie die Hinneigung zum Guten
gemäss der
Natur der Vernunft auch Hinneigung v. Gott die Wahrheit zu
erfahren, die Unwissenheit zu meiden, andere nicht zu
beleidigen)
Wörtlich
aus Thomas!
Diese
Ausführlichkeit wichtig, weil man das Alte verstehen muß,
um das Neue zu verstehen.
B
e a c h t e d i e F r a g e s t e l l u n g: Sinn, in dem
die Körperwelt erlebt wird. Hinweis auf Alchemie, Astrologie,
Hexen u.s.f.
wie
wurde sie erlebt? N i c h t a
l s N a t u r !
c) Gesammtvision der Gestalt,
welcher die Welt für das
Bewußtsein des Mittelalterlichen Menschen hatte.
1)
Geisterreich zentriert um Gott und den Menschen. Hierarchie
(Engel, Mensch, Pflanze, Tier, Hinweis auf Ständstaat)
2)
Jede Bewegung Ausfluss geistigen Willens
3)
Kommunikation zwischen den Wesen nach Art der Geister
4)
Offenbarung, Erkennntis aus Büchern begnadeter Menschen
R
e a l i t ä t d e s W o r t e s (als Ursache, Zauberei,
Beschwörun#
5)
Autoritäres Denken. (Ein Wort, ein Begriff den man in alten
Schriften findet ( Durchsichtiges v. hellerer Klarheit,
erklärt)
2)
Im Laufe welcher Bewegungen und Kämpfe wurde die Herrschaft
des autoritäre Weltbildes erschüttert, gebrochen und ein neues
lanasam an seine Stelle gerückt?
Einleitung:
Mittelalterliche
Seele und Geist klare und feste Physiognomie.
Unsinnig zu glauben, seine Träger seien v. Natur anders als
wir, und sei eine neue Natur gekommen, Menschen die klüger oder
genialer waren als die Scholastiker. Genie und geistig-soziale
Bewegung.
a)
Soziologisches Zentrum der herrschenden mittelalterlichen
Bildung
Die
Universitäten.
Monopol
der Welterkenntnis.
Sünden
konnten vergeben werden,
Ketzereien die an dem überlieferten Weltbild rüttelten wurden
mit Feuer u- Schwert bestraft. Notwendigkeit dieser
Bindung. Irrtum der aufklärerischen Verurteilung dieser
Haltung.
Mittel,
dem Laien das Urteil über die Welterkenntnis zu
entziehen:
D
i e l a t e i n i s c h e
S p r a c h e .
Kopernicus in lateinischer Sprache geduldet, Galilei
in der
Vul#######che zum Wiederruf gezwungen. Gelehrten-republik.
Schicksal Galileis, Verurteilung, weil er aus dem Kreis der
Gelehrten hinaustrat, an ein großes Laienpublikum gewandt zeigt
mit s###scher Kraft die Konstellation. in der die neue
Weisse des Nat#######s entstand: I m
K a m p f g e g e n
d i e U n i v e r s i t ä t
u n d
g e g e n d i e
l a t e i n i s c h e S p r
a c h e ###
) f a l t e t s i c h
d a s N e u e . Wer war
der Träger
dieses Kampfes gegen die Gelehrten?
3.
2)
Die Ungelehrten, die Menschen, welche nicht durch die Schule
des Latein gegangen waren, die Laien, Männer der Praxis.
A u s
B ü c h e r n a l l e i n k o
n n t e m a n
n i c h t l e r n e n , d a ss
e s e i n e
a n d e r e
F o r m G e w i ß h e i t
z u f i n d e n
g e b e n
k ö n n e , a l s
d i e B ü c h e r .
Idee zu Beobachten,
durch Beobachtung, durch Messen und Wägen, Wahrheit finden zu
können, nichts Selbstverständliches. ### Begreife,
dieses
Selbstverständliche als etwas Problematisches
Gewordenes.
Das
Neue konnte nicht in jeder beliebiegen sozialen Schicht
entstehen.
Bestimmte Erlebnisse und Erfahrungen waren
notwendig.
Soziale
Bewegung und geistig-seelische Bewegung identisch
Handwerker.
Künstler Techniker
.
Nichts v. Uberbau, nichts
v. Unterbau, nichts v. Ideologie. Sehen wir uns die Tatsachen
an.
3)
Materialien zur Soziologie der entstehenden
Naturwissenschaft.
a)
Politisch-geschichtliche Konstellation.
Abnahme
der Stärke der lichen Zentralgewalt im
heil.röm. Reich besonders in Italien seit Rudolph v. Habsburg.
Heinrich VII schlichtet zwar noch Parteikämpfe in Mailand, wird
in Genua u. Pisa freudig aufgenommen. Florenz vermag er nicht zu erobern.
D i e S t a
d t s i e g t
ü b e r d e n
K a i-
s e r. 1313.
Nicht
weniger schwach geistliche Zentralgewalt. 1309 Clemens V
nach Avignon. seit 1378 zwei Päpste. Erst das Konstanzer Konzil
1414 - 18 stellt Einheit wieder her.
Schwäche
der zentripetalen Gewalten Voraussetzung für
Machtentfaltung der zentrifugalen, der Fürsten und Städte.
Von
Fürsten hier nicht zu reden, auch nicht v. Lübeck oder
Nürnberg. Immerhin 1377 Sieg der schwabischen Städte über d.
Grafen v. Württemberg
Florenz.
Reiches,
ökonomisch mächtiges, politisch und gesellschaftlich
selbständiges und selbstbewusstes Bürgertum. Bürgerschaft setzt
sich durch Regiment über die Landschaft allmählich an Stelle
eines Fürsten (Toskana, 1429 Eroberung Pisas) Repräsentant
dieser Herrschaft wird reicher Bankier Johann v. Medici.
Zunftbürger. Kaufleute u. Handwerker regiern eine ganze
Landschaft. Bankiersfamilie wird Fürstengeschlecht.
Das
ist die geistige und gesellschaftlighe Atmosphäre, in der
sich die Entwicklung abspielt von der hier die Rede ist.
Zwei
Kreise 1) Experimentierende Meister
2) Platonische Akademie
Repräsentanten der Renaissance
b) Der Kreis der experimentiertenden
Meister
Einleitung:
Ganz
gewiß nicht die ersten, welche Beobachtungen über die
Eigenschaften und das Verhalten der Körper in den Dienst der
menschlichen
Zwecke stellten. Unterschied: Aufspeicherung in
der Traditon, mehr oder weniger z u f ä 1 1 i g
g e wo n n e n e Erfahrungen häuften
sich an, wur### vom
M
e i s t e r a n
d e n L e h r l i n g
weitergegeben.
Jetzt
etwas Neues: Gewinn v:Einsichten durch bewusstes
Beobachten, ###eben und Nachdenken. Kurzum durch E x p e -
r
i m e n t e.
Alles aber zunächst im Dienst der menschlichen Zwecke!
Noch
nicht in unserem Sinne Wissenschaft, aber der erste
zur Revolution des mittelalterlichen Weltbildes.
4.
1)
Gegenüberstellung v. Giotto und Masaccio
a) Giotto frommer Zögling der
mittelalterlich-kirchlichen
Tradition, in deren Gestaltung entfalten sich seine
schöpferischen Kräfte. Keine S
c h e i d u n g
z w i s c h e n M e n s c h
u n d Na t u r. Welt-
Gottesreich, in dessen Zentrum der Mensch
steht.
Noch
sehr unwichtig ist ihm I l l u s i
o n , dass das
Dargestellte sich jetzt und hier vor dem Beschauer abspielt.
Entscheidend ist qeistige Beziehung des Beschauers zu dem
Dargestellten. Schönheit und Grösse seiner Bilder aus der
Inbrunst mit der er einen geistigen Gehalt darstellt. Formale
Schönheit mehr Entfaltung eines traditionellen Erbgutes als
Schöpfung einer bewußten Reflexion über Farben und Linien und
ihre Harmonie, ihre Proportionen.
Fortleben
der gothisch-scholastischen Tradition, die Giotto
gross gestaltet hat, als leer gewordene Schulung auch ein
Jahrhundert später in der Zeit der experimentierenden Meister.
Gentile da
Fabriano. Die Figur ohne Masse, die Körper ohne
Muskeln, Linear- arabesken.
b) Masaccio, aus dem
Kreise der experimentierenden Meister
um Brunelleschi
Neue
Einstellung zu dem Bilde ist zugleich Ausdruck einer
anderen Religiosität einer anderen Stellung zur Welt. Tendenz
zur Unabhängig von dem Herkommen. Selbst durchdenken,
was überliefert ist. Haltung, die in Deutschland zu Luther
führt (Rezeption vor allem in Wirtschaftszentren Städten),
in Florenz zu Savonarola.
Körper
und Handlung nicht mehr Symbol, die Erinnerung an etwas
Transcendentes in dem Beschauer wach rufen sollen. Masaccio
will die Begebenheiten so darstellen, a 1 s
o b s i e
s i c h h i e r
u n d j e t z t
v o r d e m
B e s c h a u e r a b s p i e l t e
n . Neue realistische,
ungelehrte, unscholastische Einstellung zu den Dingen des
Glaubens und der Welt.
Neue Einstellung identisch mit neuen Aufgaben.
In
dem Kreise um Brunelleschi, zu dem Masaccio gehörte
formulierte man die neue Aufgabe so: Es gelte die Dinge so zu
malen, als ob man durch ein Fenster auf das Darqestellte
blicke.
Diese Aufgabe allein mit traditioneller Maltechnik mit
überlieferten Handgriffen und Erfahrungen nicht zu lösen. Man
mußte experimentieren.
Neue
Aufgabe: Wie muß man die tatsächlichen Proportionen der
Dinge verändern, damit siemauf der zweidimensionalen Bildebene
so erscheinen, a l s o b
sie im dreidimensionalen Raume
stünden?
Echte
Konstruktionsaufgabe: Aufgabe im Bereiche der
darstellenden Geometrie. Das Ringen um sie im Werke Masaccios.
Der
die Aufgabe löste, löste durch Experimentieren, rechnen,
beobachten, durch Zeichnungen, Hilfsapparate u.s.f., war das
Zentrum des Kreises der experimentierenden Meister,
Brunelleschi.
c.) Filippo Brunelleschi 1377- 1446.
Handwerker
ohne lateinische Bildung. Architekt und Ingenieur.
Nicht missverstehen, wenn man sich soviel mit KÜnstlern und
Technikern beschäftigt. Aus den Forschungen und Experimenten im
Dienste der menschlichen Zwecke wuchs allmählich jene
Bewusstseinslage, jene geistig-seelische Konstellation, jene
Denkformen heraus, welche den Menschen Forschen und
Experimentieren ohne anderen "Zweck als, das was sie nun
"die Wahrheit" nannten heraus.
5.
Neue
Zeit, neue Gesellschaftliche Atmosphäre stellte neue
Aufgaben.
Die
Tendenz zur realen Wiedergabe der Dinge auf den Bildern
nicht die einzige neue Aufgabe. Viel stärkere in Anspruchnahme
der Künst~er durch profane Aufgaben als früher, Zusammenhang
mit der Konsolidierung des städtischen Wohlstandes. Neue
gesellschaftliche Atmosphäre identisch mit neuer seelischen
Atmosphäre -
Brunelleschis Werke: (Auswahl)
Errichten von Festungen in pisa und vico
pisano
von Kastellen im Elsatal
Regulierung des Arno
Bau v. Po-dämmen
Entwurf der
Hafenbefestigungen v. Rimini
Ausführung der Florentiner Dornkuppel
(39m)
Paläste
Anforderungen
der Zivil- und Militärtechnik. Neue statische,
hydraulische und ballistische Probleme, nicht zu lösen
a l l e i n d u r c h
t e c h n i s c h e R o u t
i n e ,
s
o n d e r n d u r c h V e r s u c h e u
n d t h e o r e-
t
i s c h e U e b e r l e g u n g e
n.
Konstruktion
von neuen Maschinen, kombinierte Hebel und schiefe
Ebenen
für Kuppelbau in Florenz.
A
c h t u n g : Das Problem der schiefen Ebene, beschäftigt
zunächst
als Problem im Dienste der menschlichen Zwecke die
Geister. Allmählich erst, zum ersten Mal bei
G a l i l e i
wird es ein Problem zweckfreier Naturerkenntnis. Und hier mag
man ahnen, wie die neue menschliche Haltung, und die neue Idee
der Naturgesetzlichkeit ganz langsam in der Arbeit der Menschen
an den zeit-räumlichen Materialien heranwächst.
Wachstum
der Idee einer berechenbaren, jeder Willkür enthobenen
Gesetzlichkeit und zwar in untrennbarer Einheit zugleich als
Gesetzlichkeit der Natur und als Gesetzlichkeit der Kunstwerke.
In der Renaissance zunächst keine Unterscheidung dieser beiden
Regelhaftigkeiten. So muß man Brunelleschi verstehen.
Denn
ebenso, wie er die Gesetzmäßigkeit der Dinge beim Brücken-
und Festungsbau erprobt und durchdenkt m
i t e i n e r
g e n i a l e n I n t u i t i o n s
k r a f t , so erprobt und
durchdenkt er die Gesetzmäßigkeit, die Harmonie, der
Proportionen der Gebäude.
So
formuliert er als erster die Regeln einer Proportione
armonica, nach welcher die Gebäude erbaut werden müssen. 1403/4
Renaissance-kunst
und Renaissance-wissenschaft sind Geburten
ein- und derselben neuen menschlichen
Haltung.
Beispiel:
Die Perspektive
(schon oben erwähnt bei
Masaccio)
Frage, (wie oben formuliert) Wie muß man
beim Malen die
tatsächlichen Proportionen der Dinge verändern, damit sie auf
der zweidimensionalen Bildebene so erscheinen, als ob sie im
dreidimensionalen Raum stünden?
Apparate,
die Brunelleschi konstruierte, um das Problem lösen
zu können. (Spiegel) Die Konstruktion der Tiefenlinien der
Bilder auf einen Punkt hin verhältnismässig das leichteste.
Weit schwieriger - und dabei besonders charakteristisch für die
Fragen, welche die Zeit bewegten - war das Problem zu lösen,
wie im Bilde die Grössen der Distance gemäß abnehmen. In der
vorangehenden Zeit und auch noch bei Zeitgenossen B's eine Art
der Darstellung, bei der die Distancen vom Beschauer aus
gesehen zu kurz erscheinen, zu rasch in die Höhe führen.
Eigentümliche Abstraktion, die die neue Aufgabe verlangte:
Der Maler mußte das Bild so konstruieren, dass es nicht
unmittelbar für ihn selbst, sondern für den Beschauer, der in
einer bestimmten Entfernung vor der Bildfläche stand,
perspektivisch richtig in die Tiefe zu führen schien. Dazu
notwendig bestimmte geometrische Konstruktion.
Brunelleschi fand diese Konstruktion.
6.
Die
Idee der berechenbaren Bildharmonie und die Idee der
berechenbaren Naturgesetzlichkeit sind im Geburtsakt
untrennbar.
Neues
Glücksgefühl der Menschen, neue Methode des
Kunstschaffens,
neue Haltung des Künstlers zu seinem Werk, neue
Haltung des Menschen zu dem Kosmos des mit sinnen
wahrnehmbaren.
Die
Versenkung in den religiösen Gehalt des Dargestellten tritt
zurück hinter der Versenkung hinter die Gesetzmässigkeit und
Harmonie des mit Sinnen Wahrnehmbaren.
Ucello (ebenfalls aus dem Kreise der exp. Meister):
"W
i e s ü s s i s t d o c h
d i e P e r s -
p e k
t i v e "
Wir
werden vielleicht noch sehen, wie die Träger diese#
neuen LebensgefÜhls mit den Trägern des alten auf die
Offenbarung und die heiligen Autoritäten gegründeten
schließlich in Kampf gerieten.
Zusammenfassung.
D
1) Das Bild als Illusion (Zusammenfallen von realistischer
und illusionistischer Malerei. Erinnerung an Theatralik als
Element der Renaissance).
2) Das Bild als schöne. d.h. gesetzmässige
Form
(Autonomie des Schönen. Zurücktreten
des Dargestellten
hinter der Darstellung)
Experiment
und
3) die mathematische Berechnung als
Mittel zur Auffindung
der Gesetzlichkeiten in Natur und Kunst.
(Keine Trennung v. Naturerkenntnis und
Naturgefühl,
Gefühl und ratio, Seele u- Geist noch eins)
4) Diese Form sich in dem Chaos der materiellen Dinge
durch Experiment und durch Berechnung zu orientieren = Idee der
Naturwissenschaft.
Frage: Woher konnten diese "Ungebildeten" Mathematik?
d)
Zusammenhang der experimentierenden Meister mit der
lateinischen Tradition
Das eigentliche kultursoziologische Renaissance-problem
Einleitung:
Im
Kreise der experimentierenden Meister war eine neue
menschliche Haltung zum ersten Mal zum klaren Ausdruck
gekommen, wurde v. ihnen zum ersten Male g
e s t a l t e t .
Wie
die Ritter aus der Haltung und den Formen, die ihnen ihre
spezifische Funktion als "Ritter" gab, zugleich eine spezifisch
"ritterliche" Bildung gestaltet hatten, wie von ihren
spezifischen Funktionen aus die Priester und Gelehrten eine
spezifische Bildung schufen, so begann in den
experimentierenden Meistern zum ersten Male eine bürgerliche
Gesellschaft, die Gesellschaft der Kaufleute und Handwerker von
Florenz frei von der Autorität anderer Schichten unmittelbar
aus ihrer beruflichen Tätigkeit, aus ihren spezifischen
Funktionen
hervor eine ganz spezifische Bildung, spezifische
Kunst, spezifische Erkenntnisformen, gefasst in eine
spezifische, neu zur Bildung aufsteigende Sprache zu
entwickeln. Das war - vom ganzen der abendländischen Bildung
aus gesehen - eine Revolution. Aber es gibt keine absolute
Revolution. In irgendeiner Form geht das alte Kulturgut in die
neue Bildungsform ein, mitbestimmend für ihre Physiognomie.
Spezifisches
Phänomen der Renaissance: Zusammenarbeit
bestimmter Gelehrter, Träger der alten der lateinischen
Bildungstradition mit den experimentierenden Meistern#
Trägern der neuen. Aber das Gefäss, in das hier die
lateinische Bildung einströmte, der Kreis der Künstler und
Architekten unterschied sich von allen bisherigen Kreisen,
welche die lateinische Bildung rezipiert und getragen. Der
Sinn, in dem hier die Antike erlebt ###
7.
gestaltet
wurde, war ein anderer als der, in dem die Antike von
den Gelehrten ohne Beziehung zu der lebendigen Praxis gestaltet
wurde, von den Humanisten und Scholastikern. Antike zum ersten
Mal nicht mehr Autorität, sondern große Lehrmeisterin, die von
der eigenen Erfahrung aus überprüft und fortgebildet werden
konnte.
1) Soziale Herkunft und Bildung des Kreises um
Brunelleschi
Philippo Brunelleschi, Luca della Robbia, Masaccio,
Alberti, Donatello , Ghiberti u.a.
Zeit:
Brunelleschi 1377 -1446
Alberti geb 1407
Ghiberti 1380- 1455
Herkunft:
Einzelheiten unsicher, Jedenfalls aus wenig
begüterter Unterschicht oder Mittelstand, außer A.
Erziehung Allerelementarster Unterricht im Lesen Schreiben,
Rechnen noch als Kinder Ausbildung bei Holzschnitzer oder
Goldschmied. Versuche in allen Gattungen der Kunst bis "Zufall"
die eigene Veranlagung und die Routine das Feld ihrer Tätigkeit
begrenzten (O). Ohne lateinische Kenntnisse. Ohne Mathematik.
Die in vulgärer Sprache abgefassten Rechenbücher des 15ten und
16ten Jahrhunderts berücksichtigten lediglich die
allerelementarsten Bedürfnisse der Praxis.
Paradoxon: Die Gelehrten, welche Latein
verstanden# haben
keinen unmittelbaren Zugang zu der Körperwelt, und das, was die
antiken Autoren über die Körperwelt sagen ist für sie also
ebenso autoritäre Lehrmeinung, wie die Lehren der kirchlichen
Autoritäten.
Die
Künstler. Handwerker, Techniker aber, welche die antiken
Lehrmeinungen in ihrem ursprünglichen Sinne begreifen könnten,
verstehen kein Latein.
Befruchtung
der handwerklichen und technischen Arbeit durch die
Antike durch die freundschaftliche Zusammenarbeit v. Gelehrten
und Künstlern.
1)
Brunelleschi und Toscanelli. (geb 1396
also 22 Jahre jünger
als B.)
2)
Alberti, Leon Battista (Lebensgang,
Einzigartigkeit v.
Florenz, Umschlag v. Gelehren zum Praktiker)
Gegenüberstellun mit Humanismus (Ficinus)
e)
Leonardo da Vinci
Einleitung: Fünfzig Jahre später. Neue
Konstellation in
Florenz. Ausbreitung der Brunelleschischen Tradition über den
Appenin. In Florenz wieder bis zu einem gewissen Grade
Gelehrsamkeit und lebendige Praxis getrennt
1) Lebensgang (Unsicherheit)
2) Das Ringen um die neuen Bewußtseinsformen,
um die
Beherrschung der natürlichen Welt. Unrecht Olschkis.
Schon
Ghiberti Zitat: Mit allen Mitteln Versuchen die Natur
nachzuahmen. Jetzt bei Leonardo Beobachtung (bewußte!) über die
ganze Breite des Natürlichen. Die Einsamkeit der grossen
Menschen (Hinweis auf Bruno, Galilei, Kopernicus)
Ringen
um die Kathegorie der mechanischen Verursachung. Noch
keine endgültige Scheidung von den mittelalterlichen
Kathegorieen. Dies das Problem seines Lebens, die Schwierigkeit
seines
Verständnisses.
Leitmotiv: Beobachtung, Verachtung aller
Gelehrsamkeit
jenseits der Beobachtung.
3) Notwendigkeit der Stufe die uns
Leonardo darbietet:
Vergleich
mit der Entwicklung der Geschichtswissenschaft. Erst
Sammlung einer Fülle von Materialien. Alles ist neu.
Beherrschung
der gesammelten Materialien durch ein
Ordnungsprinzip erst eine weitere Stufe. Der Mensch rückt
langsam aus dem Mittelpunkt des "Naturbegriffs" beginnt
das zu werden, was er für die Aifklärung ist: Ein Körper
unter anderen, untertan der einen umfassenden Gesetzlichkeit
Beispiele. Beobachtung der
Mechanik der körperlichen
Bewegungen
an Mensch und Tier, anatomische, physiologische
untersuchungen
der ##
8.
Nur
das Sehen kann die Geheimnisse der Natur enträtseln. Daher
kann man oft durch Zeichnungen ausdrücken was man in
Worten weniger gut ausdrücken kann.
Die
Aufzeichnungen Leonardos über alle Naturphänomene, zu deren
Beobachtung er nicht allein als Maler v. Landschaften, sondern
auch als Techniker, beim Projektieren und Ausführen v. Kanälen,
Flussregulierungen, Strassen, Dämmen, Brücken, Schleusen
Festungswerken kam, sind voll von Beschreibungen, Analysen,
Berechnungen, Zeichnungen.
Es
fesseln ihn außer der Fauna, Flora, außer Gewässern, Steinen
u. Grotten immer die phantastischen Dinge, das Geheimnis. (O).
Auch
er von der malerischen und technischen Praxis zur
zwecklosen Beobachtung aus "Neugierde" nach dem Geheimnis. (O.)
Charakteristische
Pläne: Enzyklopädie der Technik für Theorie
und Praxis
Grammatik
der Vulgärsprache.
Aber
er bleibt immer bei einzelnen Beobachtungen kommt niemals
zusystematischer Zusammenfassung. Er war nahe daran. zu
erkennen, dass das Moment der Resultate zweier Kärfte der
Summe der Momente der Komponenten gleich ist u- ähnlich in
vielen anderen Fällen (D.) aber er tat niemals den Schritt von
der Erfahrung zur reinen Abstraktion in Gesetzesform.
Olschki:
Im allgemeinen, wenn man an die Biographen Leonardos
die Frage
richtet, warum die vierzigjährige Tätigkeit
seines
Geistes hier (in Bezug auf Gesetze) nur unklare und
schüchterne
Antworten erreicht hat, erhalten wir die
Antwort,
dass die Zeit für die Entdeckungen physikalischer
Grundgesetze
noch nicht reif waren. Aber wir wollen uns
mit
solchen billigen fatalistischen Aussprüchen nicht
zufrieden
geben. Das Material, das den unmitelbaren
Vorgängern Galileis wenige Jahrzehnte später vorlag, war
nicht viel
grösser und vor allem nicht wesentlich
verschieden
von dem das Leonardo benutzte.
Auseinandersetzung
mit dieser Meinung Olschkis.
Zusammenfassung
Was
war das Neue das da heranwuchs?
Aus
der Idee des Geisterreichs steigen als autonome Sphären des
Seienden die Idee der Schönheit und die Idee der Natur,
eigengesetzliche Seiten der Welt heraus. An stelle der Idee von
der Urheberschaft eines geistigen Wesens in allem Seienden trat
die Idee der mechanischen, gesetzmässigen Berechenbaren
Verursachung. An die Stelle der Gewissheitsfindung auf Grund
einer Offenarbung , deren Gefäss die autoritären Bücher,
trat die Gewissheitsfindung auf Grund eigener unautoritärer
Beobachtungen und Ueberlegungen.
Und
so wuchs in der Menschheit, wie immer nach einer geistigen
Revolution# ein neues Glück und ein neues Leid heran. Das
neue Glück, das das Bewusstsein der eigenen Erkenntniskraft dem
Menschen gab, und das neue Leid, das Leiden an seiner eigenen
Bewusstheit, an der Kühle der eigenen Erkenntniskraft oder
Rationalität.
Quelle:
Reinhard
Blomert: Intellektuelle im Aufbruch. Karl Mannheim, Alfred Weber, Norbert
Elias und die Heidelberger Sozialwissenschaften der Zwischenkriegszeit, München
1999: Carl Hanser, S.351-361
Die
Darstellung Blomerts ist insoferne verändert, als alle Ergänzungen fehlender
Buchstaben oder Worte sowie alle sinngemäßen Ergänzungen nicht übernommen
sind. Fehlende Buchstaben sind hier durch das Zeichen # gekennzeichnet.
Blomert
informiert auch, dass der im Text auftauchenden Buchstabe "D" eine
Zitation des Mathematikhistorikers Pierre Duhem bedeutet, sowie dass die
Chiffren "O" bzw. "O." auf Zitationen des Kunsthistrorikers
Leonardo Olschki verweisen.