|
1 University Street W C 1 17.4.38 |
Verehrter
Herr Doktor,
ich erlaube mir, Ihnen separat ein Exemplar des ersten
Bandes meiner Arbeit "Ueber den Prozess der Zivilisation" zugehen zu
lassen. Gisela Freund schrieb mir, dass sie mit Ihnen davon gesprochen hat. Es
würde mir grosse Freude machen - und es war ein wenig mein Wunsch -, das Buch
von Ihnen in der Zeitschrift des Instituts besprochen zu sehen.
Ich sage Ihnen offen, dass ich mir bei dieser Arbeit eine
ziemlich grosse Aufgabe gestellt habe. Hinter allen den vielen Materialien und
Beispielen, die vielleicht den Blick allzusehr auf sich
ziehen, die aber unumgänglich waren, wenn ich nicht nur Allgemeinheiten sagen
wollte, steht die Vorstellung, dass wir den Zusammenhang zwischen dem
Gesellschafts-prozess und dem "Psychischen“, solange wir an dem
Psychischen nur das beobachten, was statisch und unveränderlich ist, solange
wir nicht auch das Psychische "im Prozess“ sehen, nie verstehen
können. Es führt zu nichts, so schien mir, wenn man von marxistischer Seite
die Psycho-analyse oder irgendeine andre ungeschichtliche Form der Psychologie
wegen dieser oder jener Einzelheit kritisiert oder bekämpft. Vor uns steht
die positivere Aufgabe, die Ordnung der geschichtlichen Veränderung des
Psychischen unserm Verständnis zugänglich zumachen. Das ist es, wozu dieser
erste Band beizutragen sucht. Dann bleibt Schritt für Schritt zu untersuchen,
welche Gesellschafts-prozesse die Motoren dieser psychischen Veränderung
sind. Das geschieht im zweiten Bande, der augenblicklich im Druck ist, dessen
Erscheinen aber aus äusseren Gründen wohl leider noch einige Zeit auf sich
warten lassen wird.
Ich kann
nicht beurteilen, ob es mir gelungen, das Problem, das ich mir gestellt habe,
klar und überzeugend darzustellen. Ich hoffe, nach einer skandinavischen
Vortragsreise, die ich gerade antrete, durch Paris kommen zu können, und
würde mich sehr freuen, wenn ich dann Gelegenheit hätte, mit Ihnen darüber
persönlich zu sprechen. Aber da ich im Herbst voraussichtlich nach Amerika
muss, würden Sie mir einen grossen Gefallen tun, wenn Sie es einrichten
könnten, dass die Besprechung schon vorher erscheint.
Inzwischen
bin ich
mit den
besten Grüssen
Ihr
sehr
ergebner
(Unterschrift: