"Dies galt eigentlich schon für den Vortrag
von Norbert Elias selbst, der unter dem Titel »Pacification and civilisation«
angekündigt war, sich aber eigentlich vor allem mit 'pacification'
beschäftigte (nach 1939 hat Elias den Begriff Zivilisation nur noch selten
verwendet). Elias skizzierte in seinem mit großem rhetorischem Schwung
dargebotenen Vortrag ein Panorama der Städte und Staatenbildung - beginnend bei
den Sumerern und sich von
dort ausbreitend - und die weitreichenden Konsequenzen dieses Prozesses für das
menschliche Zusammenleben. Mit weitausholenden Gebärden auf eine große
Landkarte hinter sich weisend, zog er große historische Linien von staatenlosen
Gesellschaften, über Völkerwanderungen und die darauf folgende Bildung von
Städten und Staaten bis hin zu einem erdachten, von ihm als »my private utopia«
bezeichneten nächsten Stadium: einem zukünftigen Weltstaat. In einer für
Elias kennzeichnenden Dialektik (er selbst würde eine solche Charakterisierung
wahrscheinlich ablehnen) betonte er den Doppelcharakter von Staaten seit ihren
ersten Anfängen: eine Verbindung von Schutz und Unterdrückung, von
Koordination und Ausbeutung, von Funktionen für die Gemeinschaft als Ganzes und
Funktionen für die herrschende Gruppe. Sein Vortrag konnte als erster Ansatz zu
einer weitreichenderen Theorie der Staatenbildung angesehen werden, einer
Erweiterung des Gegenstandsbereiches von Westeuropa (Goudsbloms zweitem Niveau)
auf eine allgemeinere Ebene (das dritte Niveau)."
Quelle: Nico Wilterdink: Die Zivilisationstheorie
im Kreuzfeuer der Zivilisation, in: Gleichmann/Goudsblom/Korte 1984, S. 282