1712 reicht ein junger Maler, der 28jährige Watteau, bei der königlichen Akademie in Paris mehrere Bilder ein. Er wird daraufhin aufgefordert, nach eigener Themenwahl ein großformatiges Bild als Aufnahmestück zu malen. So entsteht bis 1717 das »L'embarquement pour l'isle de Cythère«; Watteau wird Mitglied der Akademie innerhalb der Sparte der »Fêtes galantes«. In seinem weltberühmten Gemälde unterwirft der Maler die Liebe einer weitergreifenden sozialen Konzeption: Liebe ist der Friede in der Gesellschaft, den die Künste und Wissenschaften benötigen, um sich frei entfalten zu können. Trotzdem sind die Momente einer großen Melancholie sowohl in der Szenerie als auch in der Farbgebung des Gemäldes unübersehbar. So interpretiert Elias die Arbeit des Malers an seinem Werk als Pilgerfahrt ins Ungewisse zwischen zwei Epochen: Ludwig XIV. schickt sich zum Sterben an. Mit seinem Tod enden letzte Jahre einer strengen Regierung und verknöcherten Religiosität. Die Menschen atmen auf. Man erhofft mit der Regentschaft Philippes von Orléans für das Kind Ludwig XV. den Anbruch einer neuen Zeit, die alte höfische Strukturen sprengen soll und vielleicht in ersten Umrissen ein bürgerliches Ideal skizziert.

 

Norbert Elias verfolgt im weiteren das Schicksal des Gemäldes »Einschiffung nach Kythera« und weitet seinen Essay zu einer Betrachtung von Kunst und Gesellschaft an sich, von utopischen Gegenmodellen zur jeweils herrschenden Kultur. Letztendlich gestaltet Norbert Elias in seinem Essay zu »Watteaus Pilgerfahrt zur Insel der Liebe« das Problem des Kontrastes zwischen Traum und Wirklichkeit der Liebe und dann auch zwischen dem schönen Traum und der hässlichen Wirklichkeit an sich.

 

Quelle: Verlagsankündigung Insel-Verlag